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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stellungnahmen → Rechtschreibung – wie wir wollen
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Der Bund für vereinfachte rechtschreibung nimmt stellung

Rechtschreibung – wie wir wollen

Zu Elisabeth Schwind, «Rechtschreibung – jeder wie er will», suedkurier.de, 17. 8. 2018

Wo die Rechtschreibung aufgelöst und ihre Bedeutung nicht mehr ernst genommen wird, wird die Kommunikation schwieriger.

Eine gute norm wird ernst genommen, und das ist das ziel von rechtschreibreformen.

Wo allerdings mutwillig […]

Althochdeutsch muotwillo = freier entschluss – nun ja, mit der freiheit haben manche deutsche probleme. In der bedeutung «boshaft», «leichtfertig» beziehen wir es allerdings lieber auf die reformgegner (Wapnewski).

[…] und in großem Stil in das Regelwerk eingegriffen wird, […]

Schön wäre es, wenn in grossem stil in das regelwerk eingegriffen und vor allem in grossem stil mehr nach regeln und weniger nach ausnahmen geschrieben würde. Vorschläge gibt es genügend: die BVR-ziele, fereinfachte ortografi usw. Die neuregelung von 1996 hat es in kleinem stil versucht.

[…] wo Erlerntes plötzlich nicht mehr gilt, […]

Es gibt berufe, die das einigermassen vermeiden: köhler, wagner, hufschmied, teologe (bereits mit ein­schränkungen). Für alle anderen gilt das wort von Alvin Toffler: “The illiterate of the 21st century will not be those who cannot read and write, but those who cannot learn, unlearn and relearn.”

[…] entsteht Unsicherheit.

Stichworte sicherheit, verwirrung.

Doch Sprache ist keine Naturwissenschaft und lässt sich nicht bis ins Kleinste durch­rationalisieren.

Ob man sprache nicht vielleicht doch ein bisschen durch­rationalisieren könnte, wäre noch zu prüfen. Hier geht es allerdings um die schreibung (zur unterscheidung: schichtenmodell), und die ist eine menschliche erfindung.

Der See schreibt sich noch immer mit ee, der Zeh aber mit eh, obwohl ee und eh gleich klingen. Logisch ist das nicht. Richtig ist es trotzdem – weil wir es so gelernt haben. Und manchmal ist es besser, solche Regeln in all ihrer Inkonsequenz zu belassen.

Dass man etwas mal so gelernt habe, wäre selbst dann kein argument, wenn es wahr wäre und alle die regeln (und die ausnahmen) wirklich gelernt hätten (stichwort schreiben). Und es ist nie und nirgends gut, inkonsequente regeln zu belassen.

Der erste Fehler der Rechtschreib­reformer bestand also darin, sprachliche Inkonsequenzen zu korrigieren, ohne zu bedenken, dass sich die neuen Regeln nicht mit der Macht der Gewohnheit ihrer Anwender vertragen würden.

Ohne zu bedenken? Und wie man das bedacht hat! Schon die reformer hatten die schere im kopf.

Der zweite Fehler der Rechtschreib­reformer bestand dann darin, auf die vielen Proteste mit einer Rücknahme mancher Regeln und mit Kompromissen zu reagieren.

Das waren ja dann weitgehend nicht mehr die reformer, sondern die gegner: «Bis zum Juni 2004 konnte man in Schulen und Medien gut damit leben, sodass die Kultus­minister nach fünfjähriger Probe­phase die neue Recht­schreibung für ver­bindlich erklärten. Die Minister­präsidenten ließen sich jedoch vom Chef eines Berliner Groß­verlags ein­schüchtern und setzten einen zusammen­gewürfelten Rat für deutsche Recht­schreibung ein.» (Peter Schmacht­hagen, 24. 10. 2017.)

Schreibt man nun „mit Hilfe“ oder „mithilfe“? Die Antwort lautet hier wie in so vielen Fällen: Beides ist möglich. Das ist zwar nett gemeint, doch die Wahlfreiheit befördert Unsicherheit.

Das ist nicht nur nett gemeint, sondern unvermeidlich: stichwort varianz.

Und daraus wiederum erwächst das Gefühl, die Rechtschreibung sei womöglich gar nicht so wichtig.

Womöglich ist das das richtige gefühl! Wobei man natürlich wie bei jedem gefühl von fall zu fall dasjenige anderer menschen berücksichtigen muss.

Rolf Landolt